10. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C

6. 06. 2010

Evangelium nach Lukas (7,11-17):

Jesus ging nach Naïn. Seine Jünger, die Männer und Frauen, und noch viele Leute folgten ihm. Als sie in die Nähe des Stadttores kamen, wurde gerade ein Toter zur Bestattung hinausgetragen. Es war der Sohn einer Witwe, ihr einziger. Zahlreiche Bewohner der Stadt begleiteten die Mutter. Als der Herr die Witwe sah, ergriff ihn das Mitleid und er sagte zu ihr: »Weine nicht!« Dann trat er näher und berührte die Bahre; die Träger blieben stehen. Er sagte zu dem Toten: »Du junger Mann, ich befehle dir: Steh auf!« Da richtete der Tote sich auf und fing an zu reden, und Jesus gab ihn seiner Mutter zurück. Alle wurden von Furcht gepackt; sie priesen Gott und riefen: »Ein großer Prophet ist unter uns aufgetreten! Gott selbst ist seinem Volk zu Hilfe gekommen!« Die Kunde von dem, was Jesus getan hatte, verbreitete sich im ganzen jüdi-schen Land und in allen angrenzenden Gebieten.

Gedanken zum Evangelium

Wer ist denn dieser Jesus? Ist er wirklich für uns der Retter, der von Gott gesandt wurde, um uns zu befreien von Angst, Einsamkeit und Tod? Diese Frage steht im NT fast immer, bei allen Erzählungen und Zeugnissen, im Hintergrund,

Als Johannes der Täufer im Gefängnis war, schickte er zwei seiner Jünger zu Jesus mit der Frage: „Bist du der, der kommen soll, oder müssen wir auf einen anderen warten?“ Die Antwort, die Jesus gibt, ist interessant: Er zitiert nämlich die Worte des Propheten Jesaja, der sagt: „Den Retter werdet ihr erkennen, wenn Blinde wieder sehen, Lahme gehen, Aussätzige rein werden, Taube hören, Tote auferweckt werden und den Armen die Gute Nachricht verkündet wird.“ - „Schaut auf meine Taten“, meint Jesus. In diesem Zusammenhang müssen wir dann auch die Erzählung über eine Totenerweckung durch Jesus sehen.

Von Totenerweckungen wird im Altertum, auch in nicht-biblischen Texten, öfters erzählt. Auch im AT, wie z.B. in der Geschichte von Elija (heutige erste Lesung). Das Matthäusevangelium erzählt von der Erweckung eines verstorbenen Mädchens, der Tochter des Jairus: Als Jesus in das Haus des Synagogenvorstehers kam und die Menge der klagenden Leute sah, sagte er: „Geht hinaus! Das Mädchen ist nicht gestorben, es schläft nur.“ Für Jesus ist Sterben wie Einschlafen und Wiedererwachen.

Die in den Augen der Menschen absolute Macht des Todes wird gebrochen, dort wo Gott – der Herr über Leben und Tod – wirksam wird. Durch Jesus, durch seine Botschaft, durch seine Person wird das Reich Gottes, das Wirken Gottes, in einzigartiger Weise erfahrbar - und zwar hier und jetzt und nicht erst im Jenseits. „Wer an mich glaubt wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer an mich glaubt, wird in Ewigkeit nicht sterben“ sagt Jesus im Johannesevan-gelium. Ist das nicht eine frohe und befreiende Botschaft?

In den heutigen biblischen Lesungen ist vom Sohn einer Witwe die Rede. Bei genauerer Betrachtung der Texte merken wir, dass es eigentlich nur am Rande um die Söhne geht. Das Hauptinteresse gilt den beiden Müttern, die Witwen waren und mit dem Tod ihres einzigen Sohnes auch plötzlich ohne männlichen Nachkommen dage-standen sind. Dazu muss man wissen, dass damals in Palästina eine patriarchalische Gesellschaftsordnung bestand. Frauen galten wenig bis gar nichts. Wenn eine Frau Witwe wurde und dazu noch ohne männliche Nachkommen war, galt sie überhaupt nichts mehr. Sie war arm und vergessen, war so viel wie lebendig tot.

Vom Propheten Elia und von Jesus wird gesagt, dass sie zutiefst be-troffen sind vom Schicksal dieser Witwe. Es gehörte zu den religiösen Hauptverpflichtungen sich um Armen, Waisen und Witwen zu kümmern. Und in beiden Erzählungen heißt es: Nach der Wiederbelebung gaben sie den Sohn der Mutter zurück. Nicht nur für die Söhne begann das Leben erneut, aber auch die Witwen bekamen dadurch eine neue Lebenschance.

Der Unterschied zwischen dem Propheten Elija und Jesus ist dieser, dass der Prophet eine umständliche Prozedur zur Wiederbelebung braucht und bei Jesus die Worte genügen: „Junger Mann, ich befehle dir, steht auf!“. Wie bei Gott in der Schöpfungsgeschichte: Er sprach und es geschah. Jesus ist mehr als Elija, mehr als die großen Propheten des AT. Er ist tatsächlich der endgültige, von Gott gesandter Retter vom Tod zum Leben.

Jesus hat aber nicht alle Menschen geheilt oder wieder zum Leben erweckt. Er hat lediglich an einzelnen Menschen exemplarisch gezeigt, wie es ist, wenn das Reich Gottes anbricht. Er ruft uns auf, uns auf Gott einzulassen, indem wir an ihn, Jesus, glauben. Dann kann in uns neues Leben entstehen, neue Lebenskraft. „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt.“

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