11. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C
13. 06. 2010
Evangelium nach Lukas (7,36-50):
Ein Pharisäer hatte Jesus zum Essen eingeladen. Jesus ging in sein Haus und legte sich zu Tisch. In derselben Stadt lebte eine Frau, die als Prostituierte bekannt war. Als sie hörte, dass Jesus bei dem Pharisäer eingeladen war, kam sie mit einem Fläschchen voll kostbarem Salböl. Weinend trat sie an das Fußende des Polsters, auf dem Jesus lag, und ihre Tränen fielen auf seine Füße. Mit ihren Haaren trocknete sie ihm die Füße ab, bedeckte sie mit Küssen und salbte sie mit dem Öl.
Als der Pharisäer, der Jesus eingeladen hatte, das sah, sagte er sich: »Wenn dieser Mann wirklich ein Prophet wäre, wüsste er, was für eine das ist, von der er sich da anfassen lässt! Er müsste wissen, dass sie eine sündige Frau ist. « Da sprach Jesus ihn an: »Simon, ich muss dir etwas sagen! « Simon sagte: »Lehrer, bitte sprich! « Jesus begann: »Zwei Männer hatten Schulden bei einem Geldverleiher, der eine schuldete ihm fünfhundert Silberstücke, der andere fünfzig. Weil keiner von ihnen zahlen konnte, erließ er beiden ihre Schulden. Welcher von ihnen wird wohl dankbarer sein? « Simon antwortete: »Ich nehme an: Der, der ihm mehr geschuldet hat. « »Du hast recht«, sagte Jesus. Dann wies er auf die Frau und sagte zu Simon: »Sieh diese Frau an! Ich kam in dein Haus, und du hast mir kein Wasser für die Füße gereicht; sie aber hat mir die Füße mit Tränen gewaschen und mit ihren Haaren abgetrocknet. Du gabst mir keinen Kuss zur Begrüßung, sie aber hat nicht aufgehört, mir die Füße zu küssen, seit ich hier bin. Du hast mei-nen Kopf nicht mit Öl gesalbt, sie aber hat mir die Füße mit kostbarem Öl eingerieben. Darum sage ich dir: Ihre große Schuld ist ihr vergeben worden. Eben deshalb hat sie mir soviel Liebe erwiesen. Wem wenig vergeben wird, der zeigt auch nur wenig Liebe. «
Dann sagte Jesus zu der Frau: »Deine Schuld ist dir vergeben! « Die anderen Gäste fragten einander: »Was ist das für ein Mensch, dass er sogar Sünden vergibt? « Jesus aber sagte zu der Frau: »Dein Vertrau-en hat dich gerettet. Geh in Frieden! «
Gedanken zum Evangelium
Ein großer, mächtiger König sieht eines Tages eine wunderschöne Frau und lässt sie zu sich bringen, obwohl sie mit einem Offizier der königlichen Armee verheiratet ist. Sie wird schwanger. Der König versucht diese Schwangerschaft dem Ehemann zu unterschieben, was nicht so gelingt, denn dieser hat einen Verdacht. Daraufhin schickt der König seinen Offizier in den Krieg und zwar dort, wo er praktisch mit Sicherheit umkommen wird. Was auch geschieht. Jetzt kann der König die Frau zu seiner Frau machen. Begierde, Ehebruch und Mord.
Liebe Mitchristen, das ist nicht irgendeine Geschichte aus einer Boulevard-Zeitung, sondern aus der Bibel. Der König ist der große David, aus dessen Geschlecht der große Retter kommen soll und zu dessen Nachkommen Jesus von Nazareth gehört, der in der Davidsstadt Bethlehem geboren wurde. Die Dinge werden unverblümt und realistisch dargestellt. So sind die Menschen. Nur: Der große, mächtige König David bekennt seine Schuld vor Gott. Er sucht keine faden Ausreden, sondern steht dazu und bereut.
Hiermit sind wir bei einem heiklen Thema, mit dem der Mensch von heute, mit dem wir, große Schwierigkeiten haben: Schuld und Sündhaftig-keit. Im Grunde genommen geht es bei beiden Begriffen um die gleiche Wirklichkeit. Nur gehört der Begriff „Sünde“ eher zu der religiösen Sprache. Schuld einem Mitmenschen gegenüber ist gleichzeitig auch Schuld Gott gegenüber, also Sünde: „Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das hab ihr auch mir getan.“ Für einen Christen sind Schuld und Sünde das Gleiche.
Es hat Zeiten gegeben, ja Jahrhunderte lang wurde in der Kirche immer über Sünde und Sündhaftigkeit geredet. Der Mensch ist grundsätzlich schlecht und muss immer Buße tun. Unsere Schuld vor Gott ist so groß, dass wir nicht wissen, wie wir sie loswerden können.
Diese Grund- und Lebenseinstellung hat sich grundlegend geändert. Ja wir sind im anderen Extrem gelandet: Wir reden nicht mehr über Sünde höchstens, wenn es um Schuld und Sünde anderer geht. Konnte man früher über immer vorkommende „Schuldkomplexe“ reden, da leiden wir heute unter einem großen „Unschuldwahn“.
„Entschuldigung“ ist zu einer Alltagsfloskel geworden, ja wir sagen sogar lieber „Sorry“, denn so verniedlichen wir noch mehr unser Fehlverhalten. Wir vergessen sogar, dass „sich entschuldigen“ heißt: Um Entschuldigung bitten. Ent-Schuldigen kann nur der Geschädigte. Nur er kann uns von unserer Schuld befreien, lossprechen - indem er sagt: Vergessen wir es!
Unser Problem ist, dass Schuld/Sünde unser Selbstwertgefühl antastet: Ich bin nicht so gut, wie ich in den Augen der anderen scheinen möchte. Schuld/Sünde heißt immer: Versagen, hinter dem bleiben, was ich sein möchte. Diese Einsicht ist beschämend für mich selbst und erniedrigt mich. Deswegen versuchen wir diese Schuld/Sünde zu verniedlichen, ab-zuschieben, nicht anzuerkennen, zu leugnen. Es braucht eine bestimmte Größe zu der eigenen Schuld/Sünde stehen zu können, sie anzuerkennen, einzugestehen und um Verzeihung zu bitten.
„Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten, Werken…“ Das sind nicht nur Worte, das ist Realität. In Gedanken, Worten und Werken bleibe ich immer wieder hinter dem, was ich denken, sagen, tun sollte wenn ich im Sinne Gottes leben will.
Und warum ist das so? Weil meine Beziehung zu Gott oft zu oberflächlich ist, weil ich mich immer wieder von ihm entferne, mich von ihm „absondere“. Das ist die eigentliche Bedeutung von „sündigen“: Sich von Gott absondern, sich von ihm entfernen, leben als ob ich ihn nicht brauche. Ich bin ein sündiger Mensch: Ich lebe zu wenig mit Gott und deswegen gibt es so viele Fehlhandlungen, d.h. einzelne Sünden, in meinem Leben. Die Größe eines Menschen besteht darin, dass er seine Sündhaftigkeit und seine Sünden eingestehen kann und Gott gegenüber um Verzeihung bitten kann, wie König David, ohne total an sich selbst zu verzweifeln.
Das befreiende der Botschaft Jesu ist, dass er vorausgesetzt wir sind bereit unsere Schuld/Sünde einzugestehen immer wieder, wie zu der Frau im Evangelium, sagt: Deine Sünden sind dir vergeben. Diese Befreiung von Schuld/Sünde muss uns ja geschenkt werden und ruft dann in uns ei-ne große Dankbarkeit hervor, wie bei dieser Frau.
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