33. Sonntag im Jahreskreis - Lesejahr C

14. 11. 2010

Evangelium nach Lukas (21,5-13)

Einige Leute im Tempel unterhielten sich über den Bau – über die herrlichen Steine und die Ausstattung mit kostbaren Weihegeschenken. Da sagte Jesus: »Alles, was ihr da seht, wird bis auf den Grund zerstört werden. Es kommt die Zeit, dass kein Stein auf dem andern bleiben wird.« Da fragten sie ihn: »Lehrer, wann wird das geschehen, und woran können wir erkennen, dass es so weit ist?« Jesus antwortete: »Seid auf der Hut und lasst euch nicht täuschen! Viele werden unter meinem Namen auftreten und von sich behaupten: ' Ich bin es! Jetzt ist es so weit!' Lauft ihnen nicht nach! Erschreckt auch nicht, wenn ihr von Krieg und Aufruhr hört. Das muss so kommen, aber dann kommt noch nicht sofort das Ende.« Dann sagte er zu ihnen: »Ein Volk wird gegen das andere kämpfen, ein Staat den andern angreifen. Schwere Erdbeben wird es geben und in vielen Ländern Hungersnöte und Seuchen. Noch Schrecklicheres wird geschehen, und am Himmel werden gewaltige Zeichen zu sehen sein.« »Aber bevor dies alles geschieht, werden sie euch verfolgen und festnehmen. Weil ihr zu mir gehört, werdet ihr an die Synagogengerichte ausgeliefert und ins Gefängnis geworfen werden. Vor Könige und Statthalter werden sie euch stellen. Das wird euch Gelegenheit bieten, als Zeugen für mich auszusagen.

Gedanken zum Evangelium

Wer heute zu denen, die die Peterskirche in Rom oder den Stephansdom bewundern, sagen würde: „Diese prächtigen Bauwerke werden eines Tages zusammenstürzen“, würde wahrscheinlich kaum ernsten Widerspruch erfahren. Als Jesus hingegen solches über den Tempel in Jerusalem sagte, wurde das von vielen als Lästerung empfunden. Der Tempel von Jerusalem war nicht nur der ganze Stolz von Israel. Für Juden bedeutete ein Ende des Tempels das Ende des Bundes Gottes mit seinem Volk und das Ende dieser Welt.

Der Evangelist Lukas schrieb Jesu Worte über den Untergang des Tempels etwa um das Jahr 85 nieder. Der Tempel war bereits zerstört. Jesu Ankündigung hatte sich für die Christen erfüllt. Das furchtbare Ende war aber trotzdem nicht das Ende. Der Evangelist lebte mit seiner Gemeinde in einer Zeit, in der furchtbare Katastrophen und Christenverfolgungen geschahen. Eine Lebenssituation, die genauso bedrohlich war, wie zur Zeit der Tempelzerstörung. Werden sich also Jesu Worte über das Ende der Welt erfüllen?

Ist unsere Lebenssituation so anders? Kriege im Irak, in Afghanistan, im Nahen Osten! Umweltkatastrophen, Tsunamis, Erdbeben, Überschwemmungen, Aids, Cholera… Terror, Mord, Christenverfolgungen… Die Berichte darüber strömen täglich in unsere Wohnungen. Dazu kommen unsere ganz persönlichen „Untergangserfahrungen“: Eine lebensbedrohliche Krankheit, ein geliebter Mensch stirbt plötzlich, man verliert seine Arbeit, eine Ehe geht in die Brüche, man verliert ein Kind…. Eine Welt stürzt zusammen. Weltuntergangsstimmung.

Unruhen, Christenverfolgungen und Naturkatastrophen wurden im Lauf der Geschichte mehrfach als sichere Anzeichen des Weltuntergangs gedeutet. Für Jesus sind das bedenkliche Vorzeichen, die uns zum Nachdenken stimmen sollen, aber sie sind nicht das Ende. Sie erinnern uns an unsere Kleinheit, Verletzlichkeit, Vergänglichkeit. Und das ist heilsam! Sie schützen uns vor falschen Sicherheitsgefühlen. Sie bringen uns mit beiden Füßen auf den Boden der Realität.

Aber diese Zeichen von „Ende“, „Untergang“ und „Tod“ sind nicht das Ende. Es wird zu einer „Vollendung“ kommen. „Der Tag des Herrn“ wird kommen, der „Tag des Gerichtes“, an dem Gott alles „richten“, d.h. „zurechtrichten“ wird. Unser unvollkommenes Menschsein wird vollendet, vollkommen werden. Leben wird zum endgültigen, vollkommenen Leben.

Jesus meint: Wer geduldig und treu ausharrt, wird ein Leben gewinnen, das unzerstörbar ist. Jeder Christ darf, auch wenn er um drohende Gefahren und die kommende Zerstörung dieser Welt weiß, der Zukunft gelassen und vertrauensvoll entgegenblicken.

Das Schlüsselwort heißt: glauben! Aber nicht ein Glauben als einfach „Für-wahr-Halten bestimmter Glaubenssätze“, oder dass es Gott gibt. Mit glauben ist eine Beziehung gemeint: zwischen Gott und mir, zwischen Gott und jedem einzelnen Menschen. Glauben heißt Beziehungspflege!

Dieser Glaube an Gott vertröstet nicht auf ein Jenseits. Im Gegenteil: Er hat Menschen immr wieder neu die Kraft gegeben, auch in den schlimmsten Situationen nicht auf-zugeben. Christ sein - nein, das ist nichts für Träumer, nichts für Menschen, die der Welt fliehen wollen. Der Glaube befähigt zum Leben. Mitten in der Katastrophenangst, spüre ich Zuversicht, Gelassenheit und Verrauen. Schließlich geht diese Welt und geht mein Leben nicht auf ein Ende, sondern auf die Vollendung zu. Dieses Glaubensbewusstsein macht Mut zum Leben.

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