3. Fastensonntag- Lesejahr A
27.03.2011
Evangelium nach Mathäus (4,5-42)
Gedanken zum Evangelium
Nach einer großen Euphorie im 20. Jh, als man dachte, dass Wissenschaft und Technik alle unsere menschlichen Probleme lösen würden und deswegen Religion und Glaube auch passé waren da ist man heute bescheidener geworden. Im Gegenteil: Es dürfte oft schon so sein, dass wenn man die Tür des Glau-bens schließt, der Aberglaube durch ein Hintertürl wieder her-einkommt.
Heute sagt man in vielen Kreisen: Das Interesse an Religion nimmt wieder zu. Es gibt ein neu erwachendes Interesse an Kontakt mit dem Übernatürlichen und Göttlichen. Die Suche und Sehnsucht nach dem, was über unser Leben hinausgeht, scheint größer zu sein als dies in unseren Gemeinden, etwa beim sonntäglichen Gottesdienst zu spüren ist. Der Trend nach Esoterik und orientalischen Meditationstechniken und Philoso-phien nimmt zu. Tief im Menschen steckt eine Sehnsucht, ein Durst nach einer Welt die mehr ist, als die rein materielle Welt. Menschsein ist mehr, als die Befriedigung der vordergründigen Bedürfnisse. Es muss mehr geben.
Gerade um dieses Verlangen, um diesen Lebensdurst, um diese Sehnsucht geht es im heutigen Evangelium von der Frau am Brunnen, die Jesus begegnet. Wir haben diese Erzählung schon oft gehört und haben deswegen dann auch die Neigung einfach „abzuschalten“. Ich möchte daher diese Begegnung ein wenig anders als sie in der Bibel steht von der Frau selbst erzählen lassen.
„Er ist wirklich der Retter der Welt.“ Stimmt. Aber er ist vor allen Dingen mein Retter. Mich hat er gerettet, eine Frau, eine Namenlose, eine Samariterin, eine Frau mit vielen Männern, eine Frau mit einer anrüchigen Geschichte. Man(n) hat ein schlechtes Bild von mir. Meint ihr, ich wäre sonst zu so einer verrückten Zeit zum Brunnen gegangen. Wo mich alle sehen können?
„Es war um die sechste Stunde.“ Ja, ich erinnere mich genau. Ich wollte nieman-den sehen vor allem: Ich wollte nicht gesehen werden. Deshalb kam ich um 12 Uhr mittags. Kein vernünftiger Mensch geht um die Zeit vor die Tür. Erst recht nicht zum Wasserholen. Es ist zu heiß.
Und dann stand er da. Ein Mann. In der Mittagshitze. Am Brunnen. Der Brunnen ist ein Frauenort. Der Mann, den ich nicht kannte, sprach mich an. Offensichtlich ein Jude. In der Öffentlichkeit sprechen jüdische Männer nicht mit Frauen. Er setzte sich darüber hinweg. Er bat mich um Wasser. Mich, die ich nicht nur eine Frau bin sondern auch noch eine Samariterin eine Frau mit dem falschen Ge-betsbuch. „Die Juden verkehren nicht mit den Samaritern.“ Er setzte sich auch darüber hinweg.
„Wenn du wüsstest, worin die Gabe Gottes besteht und wer es ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, dann hättest du ihn gebeten, und er hätte dir lebendiges Was-ser gegeben“, sagte er. Ich wusste nicht, was ich denken sollte: Dieser Mann woll-te mir Wasser geben dabei hatte er gar kein Schöpfgefäß. Unser Brunnen ist tief, wie wollte er schöpfen? Frauen denken praktisch: Brunnen schöpfen Eimer nötig. Der Mann versprach Wasser, von dem man keinen Durst mehr be-kommt verlockend. Es ist mühsam, täglich zum Brunnen zu gehen...
Und dann kam ein Schlag für mich: Der Mann am Brunnen wollte, dass ich mei-nen Mann hole. Warum hat er das gesagt? „Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann.“ Es traf mich bis ins Herz. Woher wusste er das? Woher kannte er meine Geschichte? Immer klarer wurde mir, dass er etwas Besonderes war: ein Prophet, einer, der ins Herz blickt, ein angstfreier Gottes-mann.
„Ich weiß, dass der Messias kommt, das ist: der Gesalbte Christus. Wenn er kommt, wird er uns alles verkünden.“ Das habe ich gesagt. Das glaubte ich auch. Irgendwann würde er kommen. „Ich bin es, ich, der mit dir spricht.“
Das hatte ich nicht erwartet. Wie konnte ich auch? Ich, eine Frau? Manchmal glaube ich noch heute, ich träume. Der Messias, der Gesalbte, Christus hat sich mir gezeigt mir, die ich nur eine Frau bin. Undenkbar. Doch wirklich. Ich habe verstanden: Christus macht keinen Unterschied. Mann oder Frau ihn interessiert der Mensch. Das ist wirklich „Wasser“ von dem ich leben kann kostbares Was-ser. Ich habe eine nie versiegende Quelle entdeckt.
Von dieser Begegnung musste ich dann in meinem Dorf erzählen. Und auf mein Wort, auf mein Zeugnis hin kamen andere zum Glauben. Ich durfte ihn bezeugen und das, obwohl Frauen bei uns nicht zeugnisfähig sind und ihre Aussagen nicht gelten. Ich durfte ihn bezeugen. Das ist doch auch bei euch so: Mütter und Großeltern bezeugen Gott, erzählen, was er Großes getan hat im Leben der Men-schen, der Familien. Und Menschen kommen zum Glauben auf das Wort einer Frau. Ich meine, das ist auch lebendiges Leben-spendendes Wasser.
Eben hieß es: „Da ließ die Frau ihren Wasserkrug stehen, eilte in den Ort und sag-te zu den Leuten...“ Das würde ich heute nicht mehr tun. Mein Wasserkrug ist ein Symbol meines Suchens. Und meines Findens. Ich lasse ihn nicht zurück. Mein Wasserkrug ist Zeichen meiner Suche, ist Zeichen meiner Sehnsucht nach Got-tes Nähe und nach Gottes Leben.
Ich nehme meinen Krug auch mit, wenn ich den Brunnen verlasse, weil ich ande-ren Menschen damit ein Zeichen geben kann: „Suche -den Brunnen“, sage ich ih-nen. „Suche vor allem den Retter, den ich am Brunnen gefunden habe.“ Eigent-lich aber braucht ihr ihn gar nicht zu suchen. Er sucht euch. Und er wird euch von seinem Wasser geben. Jetzt zum Beispiel in dieser Feier. Sie ist ein Brun-nen. Für euch und sicher auch für andere durch euch.
Ihr dürft hier lebendiges Leben-spendendes Wasser trinken. Dürft euch stär-ken für euren Alltag. Ihr könnt das Wasser aber auch speichern, um es den Men-schen in eurer Umgebung weiterzugeben. So werdet ihr selbst zum Brunnen. Und zum Wasser. Auch, wenn sich das etwas verrückt anhört. Um 12 Uhr zu Mittag geht kein vernünftiger Mensch im Orient zum Brunnen. Wie froh bin ich, dass ich gegangen bin.
Die Frau wird zum sprudelnden Wasser: Jesus, seine Kraft, seine Lebensfreude sollen mich so erfüllen, dass sie überlaufen und hineinwirken in meinen Alltag, in die Beziehungen zu den Mitmenschen, in unsere Pfarrgemeinde, in meine Familie, in die Welt.
|
|