27. SONNTAG IM JAHRESKREIS
2. Oktober 2011
Evangelium nach Mathäus (21,33-44):
Und Jesus sprach: »Hört ein anderes Gleichnis: Ein Grundbesitzer legte einen Weinberg an, machte einen Zaun darum, baute eine Weinpresse und errichtete einen Wachtturm. Dann verpachtete er den Weinberg und verreiste. Zur Zeit der Weinlese schickte er seine Boten zu den Pächtern, um den Ertrag abholen zu lassen. Die Pächter aber packten die Boten, verprügelten den einen, schlugen einen anderen tot, und wieder einen anderen steinigten sie. Noch einmal schickte der Besitzer Boten, mehr als beim ersten Mal; doch mit denen machten sie es genauso. Schließlich schickte er seinen Sohn, weil er dachte: 'Vor meinem Sohn werden sie Respekt haben.' Aber als die Pächter den Sohn kommen sahen, sagten sie zueinander: 'Das ist der Erbe! Wir bringen ihn um und nehmen seine Erbschaft, den Weinberg, in Besitz.' So packten sie ihn, stießen ihn aus dem Weinberg hinaus und töteten ihn.
Was wird nun der Besitzer des Weinbergs mit den Pächtern machen, wenn er selbst kommt?«, fragte Jesus. Sie sagten: »Er wird diesen Verbrechern ein schreckliches Ende bereiten und den Weinberg anderen anvertrauen, die ihm zur Erntezeit seinen Ertrag pünktlich abliefern!«
Jesus sagte zu ihnen: »Ihr habt ja wohl gelesen, was in den Heiligen Schriften steht: 'Der Stein, den die Bauleute als wertlos weggeworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Der Herr hat dieses Wunder vollbracht, und wir haben es gesehen.' Darum sage ich euch: Das Vorrecht, Gottes Volk unter Gottes Herrschaft zu sein, wird euch entzogen. Es wird einem Volk gegeben, das tut, was dieser Berufung entspricht.
Gedanken zum Evangelium:
Am letzten Sonntag hörten wir, wie ein Vater seine Söhne in seinen Weinberg schicken will. Heute ist sowohl in der alttestamentlichen Lesung, wie auch im Evangelium wieder von einem Weinberg die Rede. Das Bild vom Weinberg dürfte in den Heiligen Schriften über einhundert Mal gebraucht werden. Es hat einen tieferen Sinn.
In der ersten Lesung ist Gott der Gutsbesitzer, der den Weinberg mit viel Sorge und Liebe anlegt. Die Knechte, die die Früchte abholen sollen, sind die Propheten, die in der Geschichte Israels häufig verfolgt wurden. Die Winzer, denen der Weinberg anvertraut ist, sind die Führer des Volkes, Hohepriester, Hoher Rat und Schriftexperten. Gott ist über sie enttäuscht. Statt gute Früchte, bringen sie saure Beeren: Ungerechtigkeit, Unbarmherzigkeit. Sie kümmern sich zu wenig um den Weinberg, d.h. um das Volk, das Gott so nah am Herzen liegt.
Jesus verwendet das Bild vom Weinberg für das Judentum seinerzeit. Er hat es aktualisiert. Jetzt sind es vor allem der Unglaube, dem er begegnet, und die Verweigerung der Umkehr und der Annahme von Gottes Herrschaft, die genau in das Bild vom fruchtlosen Weinberg passen. Der Sohn das letzte Angebot Gottes wird aus dem Weinberg hinausgeworfen und getötet. Unverkennbar ist hier das Schicksal Jesu nachgezeichnet, der außerhalb der Stadt Jerusalem gekreuzigt wird.
In der Zerstörung Jerusalems durch die Römer, im Jahr 70, sieht der Evangelist Matthäus das Strafgericht Gottes gegen Israel und das Judentum erfüllt. Die anderen Winzer, denen der Weinberg nun anvertraut wird, sind die Leiter der christlichen Gemeinden, denen das Evangelium übergeben wird. Damit wandelt sich das Bild vom Weinberg. Das Vorrecht, Gottes Volk unter Gottes Herrschaft zu sein wird nun einem anderen Volk übergeben: den Christen, der Kirche. Wir sollen die von Gott erwarteten Früchte bringen. Jeder von uns trägt Verantwortung dafür, dass seine Gemeinde zu einem wahren Weinberg des Herrn wird, zum Reich Gottes.
„Reich Gottes“ ist ein anderes Wort für den Lebensraum, wo die Liebe und Barmherzigkeit Gottes erfahren und weitergegeben werden.
- Das Reich Gottes ist dort, wo für uns nichts anderes mehr als die Liebe, Barmherzigkeit, Menschlichkeit, Verständnis und Güte zählen und unser Leben bestimmen.
- Wo wir in gehässiger Weise Streitereien ausfechten, da sind wir fern vom Reich Gottes.
- Wo wir geschwisterlich mit einander umgehen, da ist schon das Reich Gottes.
- Wo wir niemanden mehr ausgrenzen, weil er oder sie auf eine Art anders ist oder etwas nicht kann oder schwächer ist, da wird das Reich Gottes gelebt.
- Wo wir uns im Alltag gegenseitig unterstützen, da wird das Reich Gottes umgesetzt.
- Wo einer den anderen in den Arm nimmt, wenn es ihm schlecht geht, und ihm zuhört und ihn so annimmt, wie er ist, da lebt das Reich Gottes schon.
- Wo wir übereinander nicht urteilen und richten, sondern uns mit all unseren Fehlern annehmen, da ist Gottes Reich … da bringen wir, als Volk Gottes, als Weinberg Gottes, die guten Früchte, die Gott von uns verlangt.
Eines ist klar: Irgendwann werden wir uns vor Gott verantworten müssen, irgendwann wird er den Ertrag seines Weinberges verlangen und das sollen dann keine sauren Beeren sein. Auch diese Botschaft steckt in den vielen Weinbergerzählungen der Bibel.
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