29. SONNTAG IM JAHRESKREIS
16. Oktober 2011
Evangelium nach Mathäus (22,15-21):
Die Pharisäer veranlassten ihre Jünger, zusammen mit den Anhängern des Herodes zu Jesus zu gehen und zu sagen: Meister, wir wissen, dass du immer die Wahrheit sagst und wirklich den Weg Gottes lehrst, ohne auf jemand Rücksicht zu nehmen; denn du siehst nicht auf die Person. Sag uns also: Ist es nach deiner Meinung erlaubt, dem Kaiser Steuer zu zahlen, oder nicht? Jesus aber erkannte ihre böse Absicht und sagte: Ihr Heuchler, warum stellt ihr mir eine Falle? Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Da hielten sie ihm einen Denar hin. Er fragte sie: Wessen Bild und Aufschrift ist das? Sie antworteten: Des Kaisers. Darauf sagte er zu ihnen: So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört! Als sie das hörten, waren sie sehr überrascht, wandten sich um und gingen weg.
Gedanken zum Evangelium
Alle, die sich über das Leben und die Entwicklung von Europa und von unserer modernen Gesellschaft Gedanken machen, sind sich darüber einig: Wir erleben im Augenblick eine Glaubenskrise, die sich überall bemerkbar macht, auch in der Kirche, auch in der Pfarrgemeinde. Schon im 19. Jh. hat der große deutsche Philosoph Friedrich Nietzsche gesagt: „Gott ist tot!“ Damit hat er nicht gemeint, dass Gott nicht existiert, sondern, dass er im Leben der Menschen keine Rolle mehr spielt. Diese Erfahrung, die damals nur im Bewusstsein einiger weniger lebte, hat sich immer mehr verbreitet. Im so genannten „christlichen“ Europa, wird Gott aus den Staatsverfassungen verdrängt, Parteien haben das Wort »christlich« aus ihrem Namen gestrichen und in der neuen europäischen Charta darf der Name „Gott“ nicht mehr vorkommen. Religion wird zur Privatsache deklariert, d.h. man will Gott in die kleinen Kämmerchen des Privaten einsperren, weil er in Staat und Gesellschaft nichts zu suchen hat. Die Feststellung „Gott ist tot“, er ist nicht mehr in der alltäglichen Lebensweise der meisten Menschen anwesend, dürfte immer mehr zutreffen. Im Satz von Jesus: „Gib dem Kaiser, was dem Kaiser gehört und Gott, was Gott gehört“, hat ein Großteil der europäischen Menschen den zweiten Teil gestrichen.
Um diese Aussage von Jesus besser verstehen zu können, müssen wir uns in die damalige Situation hineinversetzen. Die Römer, die das Land besetzten, hatten die Kopfsteuer eingeführt. d.h.: Jeder Steuerpflichtige musste den gleichen Steuerbetrag bezahlen ohne Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse wie Einkommen, Vermögen, Familienstand, Leistungsfähigkeit usw. Der römische Silberdenar war die kaiserliche Steuermünze, mit der die Kopfsteuer zu entrichten war. Sie trug das Bildnis des römischen Kaisers, mit der Aufschrift: «Tiberius, Cäsar, des göttlichen Augustus Sohn». Der römische Kaiser - ein Mensch - gab sich auf dieser Münze als Gott aus. Das war eine Provokation für alle religiösen Juden. Und sie betrachteten es als Götzendienst, wenn jemand diese Münze bei sich trug und Handel damit trieb. Nun versucht man Jesus in die Enge zu treiben: Würde er diese Steuer ablehnen, dann wäre er für die Römer ein Hinrichtungskandidat, denn die Römer machten mit Aufständischen kurzen Prozess. Würde er zustimmen, dann wäre Jesus ein Kollaborateur der Römer und dies würde ihn schließlich bei seinen Volksgenossen unbeliebt machen. Jesus rettet sich aus dieser Falle, indem er sagt: „Zeigt mir die Münze, mit der ihr eure Steuern bezahlt! Die Scheinheiligkeit der Pharisäer wurde demaskiert. Sie trugen selber den Tiberius-Denar in ihrer Tasche, verwendeten ihn also als Zahlungsmittel und trieben damit Handel. Jesu Antwort war: Man soll dem Kaiser (der weltlichen Macht, dem Staat, der Gesellschaft) das ihm Zustehende geben. Als Christen haben wir unsere Verpflichtungen dem Staat gegenüber. Denn dieser sorgt dafür, dass wir in einer Gesellschaft miteinander leben können. Diese Verpflichtungen haben aber dort ihre Grenze, wo der Staat Forderungen stellt, die unserem Glauben an Gott widersprechen. Im 20. Jh. haben wir zwei totalitäre Staatsformen gekannt (Kommunismus und Nazismus), die das getan haben. Auch heute gibt es in vielen Ländern dieser Welt Christen, die für ihren Glauben sterben oder unter unmenschlichen Bedingungen leben müssen.
„DEIN REICH KOMME“, beten wir jedes Mal. Was tun wir aber dafür? Spielt er in unserem Leben die Rolle, die ihm gebührt? Welche Rolle und Bedeutung gebe ich Gott in meinem Leben? Lebe ich in der alltäglichen Praxis ohne ihn? Geben wir Gott das, was ihm zukommt?
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