30. SONNTAG IM JAHRESKREIS

23. Oktober 2011

Evangelium (Mt 22,34-40):

Einer der Pharisäer, ein Gesetzeslehrer, stellte Jesus eine Falle. Er fragte ihn: »Lehrer, welches ist das wichtigste Gebot des Gesetzes?« Jesus antwortete: »Liebe den Herrn, deinen Gott, von ganzem Herzen, mit ganzem Willen und mit deinem ganzen Verstand!' Dies ist das größte und wichtigste Gebot. Aber gleich wichtig ist ein zweites: 'Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst!' In diesen beiden Geboten ist alles zusammengefasst, was das Gesetz und die Propheten fordern.«

Gedanken zum Evangelium

Was ist das Wichtigste im Leben? Was erfüllt unser Leben mit Sinn? Was sollen wir unbedingt tun, damit unser Leben gelingt? Worauf kommt es in unserem Leben an? Viel Geld, eine gute Gesundheit, eine gute Familie haben? Sich alles leisten können? Was ist das Wichtigste?

Die Antwort von Jesus ist überraschend: Nichts von all dem erwähnt er. Es sind alles Werte, die zwar helfen können. Aber die echte Basis, das feste Fundament worauf wir unser Leben aufbauen sollen, das, was das Gelingen unseres Lebens letztendlich ermöglicht - und ohne das es nicht gelingen kann – ist eine gute Beziehung zu Gott und zu den Mitmenschen. Oder, wie Jesus es nennt: Gott zutiefst lieben und die Mitmenschen lieben wie sich selbst. Wenn das nicht unser Lebensprinzip ist, unsere Lebenshaltung, dann bauen wir auf Sand.

Das ist natürlich nicht sofort einsichtig, denn wir haben die natürliche Neigung uns selbst an erste Stelle zu platzieren, uns selbst zum Mittelpunkt zu machen und uns nur um uns selbst zu kümmern.

Was heißt es dann: „Den Mitmenschen lieben, wie sich selbst?“ Mit den Leuten, die wir nett finden, geht das ja ganz gut – aber mit den anderen? Und wie sieht das „einander lieben“ überhaupt aus?

Es ist ein Missverständnis „Lieben“ zu verwechseln mit „schönen Gefühlen“. Lieben heißt Taten setzen, sich um das Wohl eines anderen kümmern, sich dafür einsetzen. Dass „schöne Gefühle“ dazu kommen ist angenehm, aber das muss nicht immer sein. Ich kann mir schwer vorstellen, dass der Samariter, der einen fremden, zusammengeschlagenen, mit Blut beschmierten und halbtoten Menschen pflegt und versorgt, so direkt schöne, erhabene Gefühle für das Opfer gehabt hat. Seine Liebe war die helfende Tat. „Behandelt einander so, wie ihr selbst voneinander behandelt werden möchtet“ hat Jesus auch gesagt. Die Liebe, die ich mir für mich selbst wünsche, soll ich auch dem anderen schenken. Und Jesus meint dann auch: „Daran sollte man erkennen, dass ihr meine Jünger seid, zu mir gehört, Christen seid, wenn ihr einander liebt.“ Im ersten Johannesbrief heißt es: „Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott, aber seinen Mitmenschen hasst, ist er ein Lügner, denn wer seinen Mitmenschen nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht.” Nächstenliebe kann man nicht von Gottesliebe trennen. Ja, sie macht Gottesliebe erst glaubwürdig!

Was heißt es aber, Gott zu lieben? Ich kann mich doch nicht um das „Wohl Gottes“ sorgen! Gott zu lieben, spielt sich auf einer anderen Ebene ab, in den tiefsten Schichten unseres Herzens - und es hat einen anderen Ausgangspunkt. Ich beginne Gott zu lieben, wenn in mir das Bewusstsein gereift ist, dass Gott mich bedingungslos annimmt, wie ich bin, dass er mein Wohl will, mich liebt also. Wenn dieses Bewusstsein mich zutiefst berührt und betroffen macht, dann entsteht in mir tiefe Freude und Dankbarkeit, ja eine tiefe Sehnsucht nach Gott, nach einer Beziehung zu ihm. Mitten im Alltag werde ich an ihn denken, mich fragen, was er mir zu sagen hat, hier und jetzt. Ich werde mich auf dem Weg zu ihm machen, im Beten, im Bibellesen. Ja, ich zeige ihm meine Liebe, indem ich mir z.B. am Sonntag für ihn Zeit nehme, Gottesdienst feiere. Dieses Bedürfnis entspringt aus meiner Liebe zu Gott.

Diese Liebe zu Gott drängt mich dann auch meinen Mitmenschen zu lieben, der genauso von Gott geliebt wird wie ich. Der Kreis schließt sich: Gottes- und Nächstenliebe gehören zusammen. Sie sind die Bedingung für ein gelungenes Leben. Das ist der Kern und das Wesen unseres Christseins und unseres Glaubens, meint Jesus.

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