Christtag - Lesejahr A

25. 12. 2010

Evangelium nach Joh (1,1-14)

Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott.

Alles ist durch das Wort geworden, und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.

In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. Und das Licht leuchtet in der Finsternis, und die Finsternis hat es nicht erfasst.

Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn geworden, aber die Welt erkannte ihn nicht. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf.

Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus dem Blut, nicht aus dem Willen des Fleisches, nicht aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind.

Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt, und wir haben seine Herrlichkeit gesehen, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit.

Gedanken zum Evangelium

Wir haben wieder einmal den „Prolog“, das Vorwort des Johannesevangeliums gehört. Es ist eigentlich ein Gedicht, eine Hymne, ein Loblied, das wie eine großartige Ouvertüre die Grundgedanken des Evangeliums anklingen lässt.

Dieses Evangelium von Johannes – am Ende des 1. Jh. fertig gestellt - Ist an Christen gerichtet, die in schwierigen Zeiten leben: Die johanneische Gemeinde hat sich inzwischen vom offiziellen Judentum getrennt. Diese Trennung hat spürbare soziale Folgen: Die Jesus-Gruppe wird von ihrer Umwelt beargwöhnt, gemieden und an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Das verunsichert sie und bringt Zweifel hervor. (Ist unsere Situation als Christen heute nicht ähnlich?)
Alles dreht sich um die Frage, welche Bedeutung Jesus von Nazareth für sie hat. Denn Jesus wurde vom Judentum nicht anerkannt, verworfen. Diese Frage nach der Bedeutung Jesu wird umso wichtiger, wenn sich daran die Existenz einer Gemeinschaft von Schülerinnen und Schülern entscheidet: Ist Jesus von Nazaret der endgültige, authentische Gesandte und Offenbarer, ja Heilbringer Gottes? Der Prolog von Johannes gibt auf diese Frage eine zusammenfassende Antwort.

„Im Anfang war das Wort.“ Johannes knüpft hier gleich an die Schöpfungserzählung an: Es geht um Gott, den Schöpfer von Himmel und Erde. Dieser hat schon öfter im Laufe der Menschheitsgeschichte gesprochen, z.B. durch die Propheten. Aber Gott hat eine neue Initiative ergriffen. Er hat gesprochen in und durch Jesus von Nazareth. Gott hat sich ausgesprochen, sich sprachlich mitgeteilt. Er hat Jesus zu seinem Sprachrohr gemacht. Jesus verkörpert die Selbstmitteilung Gottes: das Wort ist Fleisch, Mensch, geworden. Im Leben, Reden und Handeln, Sterben und Auferstehen des Jesus von Nazareth zeigt uns Gott auf menschliche Art den Weg, so dass wir es verstehen können.

Warum macht Gott das? Weil – und das ist eine unglaublich kühne Aussage -, weil er ein Gott ist, dem die Menschen nicht gleichgültig sind. Er hat Sehnsucht nach uns! „Die Sehnsucht Gottes“, so hat der große Kirchenlehrer Augustinus gesagt, „ist der Mensch.“ Jesus ist das Ja Gottes zum Menschen und zur Erde. In ihm tritt Gott neben uns in unsere Welt; er stellt sich auf unsere Seite, begegnet uns von Mensch zu Mensch.

In Jesus mischt sich Gott in die Geschichte des Menschen ein, und das hat Konsequenzen. Aber nicht für alle: Nicht alle hören auf ihn. Das Licht scheint in die finstere Welt, aber die Welt nimmt es nicht an. Gott kommt in sein Eigentum, aber die Menschen haben ihn nicht erkannt. Das ist das Drama.

Im Wort, das Gott gesprochen hat, erkennen wir, dass Gott ein liebender Gott ist. Wir dürfen daher im Johannes-Prolog an die Stelle des Begriffes „Wort“ das Wort Liebe setzen: „Im Anfang war die Liebe, und die Liebe war bei Gott, und die Liebe war Gott. Im Anfang war sie bei Gott. Alles ist durch die Liebe geworden, und ohne die Liebe wurde nichts, was geworden ist. In ihr war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.“ „Und die Liebe ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt.“

Er, der Gottes Wort, Gottes Selbstmitteilung verkörpert, hat uns die Macht, die Möglichkeit, gegeben Kinder Gottes zu sein, indem wir so leben, wie Jesus gelebt hat, indem wir so handeln wie Gott in Jesus gehandelt hat, indem wir uns nach Gott sehnen, wie Gott sich nach uns sehnt.

Zahllose tiefsinnige und zu Herzen gehende Gedichte, Ge-schichten und Lieder versuchen das Geheimnis von Weihnachten zu begreifen, – und können es doch nicht so ausdrucken wie der eine Satz, der aus nur sechs Wörtern besteht: „Und das WORT ist Fleisch geworden“. Dies ist die christliche Kernbotschaft des Weihnachtsfestes – so nüchtern und unsentimental wie unverzichtbar.

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