OSTERNACHT

19. April 2014

„Ostern“ – das größte Fest der Christen? Oder das große unbekannte Fest? „Auferstehung“ – Fundament unseres Glaubens, ohne das alles andere seinen Sinn verliert, wie Paulus es sagt? Empfinde ich das so? Beeinflusst der Glaube an die Auferstehung mein Leben, meine Lebensweise? Habe ich dieses österliche Lebensgefühl? Oder denke ich heimlich doch nur: „Schön wäre es“?

„Ich kann es mir nicht vorstellen!“, sagen viele. Und da haben sie recht. Auch die Freunde von Jesus konnten sich es nicht vorstellen. Aber es ist doch nicht so, dass es irgendetwas nich gibt, weil ich es mir nicht vorstellen kann. Vieles im Leben ist un-vorstell-bar, aber es ereignet sich trotzdem, es ist trotzdem wahr und echt.

Versetzen wir uns in die Lage der Freunde Jesu: Sein grausamer Tod hat alles zunichte gemacht: Alle ihre Erwartungen, ihre Träume, ihr Glaube an das schöne Reich Gottes, das kommen wird, wie Jesus gesagt hat. Nichts ist übrig geblieben, denn der, der das alles verkörpert hat, ist vernichtet, sowohl geistig als auch physisch. Steht da nicht im Alten Testament: „Ein am Pfahl Gehängter ist ein von Gott Verfluchter“? Das Leben mit Jesus, diese Freundschaft mit ihm ist das eine Illusion gewesen? Was bleibt ihnen anders übrig, als zu ihrem früheren Berufsleben zurückzukehren?

Und dann machen sie eine überwältigende, nie dagewesene Erfahrung: Jesus lebt! Er ist zwar nicht mehr körperlich so da, wie vor seinem Tod, aber er ist kein Gespenst. Jesus ist nicht reanimiert worden und in das irdische Leben zurückgekehrt. Aber er hat eine andere, neue Existenzweise. Er ist real, und er ist derselbe Jesus, den sie vorher gekannt haben. Sie haben länger mit sich selbst kämpfen müssen, um das glauben zu können. Aber schließlich siegte die Gewissheit: Jesus lebt. Gott hat ihn auferweckt. Diese Erfahrung, die so überwältigend war, dass sie sie eigentlich nicht beschreiben konnten (deswegen gibt es so viele unterschiedliche Erzählungen über „Erscheinungen“) - diese Erfahrung hat ihr Leben um 180 Grad geändert. Aus ängstlichen, verzweifelten, enttäuschten Menschen wurden Menschen voller Begeisterung für Jesus und für alles, was er vertreten hat. Eine neue Bewegung entsteht: das Christentum.

„Gott hat ihn auferweckt“: Was damals die gläubigen Juden für das Ende der Weltgeschichte erwartet haben, das hat Gott jetzt, mitten in der Geschichte getan. Gott hat sich hinter Jesus von Nazareth gestellt, hinter seinen verleumdeten, ausgestoßenen, gefolterten und ermordeten treuen Diener. Auch Gott ist treu. Er lässt Jesus nicht im Stich, rehabilitiert ihn, schenkt ihm neues Leben. Jesus ist nicht ein von Gott Verfluchter. Liebe hat das letzte Wort.

Und das hat Konsequenzen, auch für uns! Gott lässt auch uns in Leid und Tod nicht allein. Selbst wenn niemand mehr da ist, dann bleibt mir Gott. Das ist die Botschaft vom Kreuz: Symbol der Verlassenheit, Einsamkeit, Verlorenheit, Aussichtslosigkeit. Die Osterbotschaft sagt: Der Tod hat nicht das letzte Wort. Das letzte Wort heißt Leben. Der Erfinder des Lebens hat das letzte Wort. Ein Philosoph hat einmal gesagt: „Einen Menschen lieben heißt ihm sagen: „Du darfst nicht sterben“. Das hat Gott am Beispiel Jesu bestätigt.

Und da bekommen bestimmte Worte von Jesus eine unglaubliche Sprengkraft: „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Glaubst du mir das?" Ein unvorstellbares Versprechen. Leben! Grenzenlos, unzerstörbar. Gott schenkt uns nach unserem Tod ein neues Leben, das nicht mehr auf ein Gehirn angewiesen ist, das durch Verkalkung beeinträchtigt wird; ein Leben, das nicht mehr durch einen Herzstillstand bedroht wird. Leben, befreit von Tod und Angst und Einsamkeit. Der tiefste Wunsch eines jeden Menschen soll erfüllt werden! Alle Lebensängste (die im tiefsten Sinne Todesängste sind) verschwinden – denn Gott liebt uns, steht zu uns, lässt uns nicht fallen, auch nicht im Tod. Ist das nicht befreiend? Ist das nicht Erlösung?

Ist das nicht ein Grund, Ostern zu feiern?

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