„Ich bin ja kein Heiliger!“, sagt man, und denkt sich dabei „Und ich möchte auch keiner sein!“ Das Wort „Heiliger“ hat für uns einen Beigeschmack bekommen, weil wir dabei an einen Super-Frommen denken, der moralisch fehlerlos und deswegen auch von den „normalen“ Menschen abgehoben ist, weltfremd erscheint. Dazu haben auch die vielen Heiligenbilder beigetragen: Ein Mann oder eine Frau mit verklärtem Blick, mit sanftem Gesichtsausdruck, honigsüß lächelnd, einfach kitschig. Das entstammt aus einer Frömmigkeitskultur und den bildlichen Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert. Da meint Paulus, wenn er die Christen von Philippi „ihr Heiligen“ nennt, etwas anderes. Versuchen wir die ursprüngliche Bedeutung des Wortes „heilig“ zu verstehen.
In unserer Alltagssprache sagen wir zum Beispiel: „Ihm war nichts heilig“. Oder: „Er schwört bei allem, was ihm heilig ist, dass er etwas nicht getan hat“. Mit „heilig“ ist hier etwas Wichtiges, Kostbares, sogar Unantastbares gemeint.
„Heilig“ hat auch einen religiösen Sinn. Wir unterscheiden zwischen „profan = weltlich“ und „sakral = heilig“. Sakral/heilig heißt dann: zu der Welt Gottes gehörig, besonders nah an Gott sein, mit Gott verbunden sein. So können dann Orte oder Städte „heilig“ genannt werden, aber auch Menschen, die in Verbundenheit mit Gott leben, in denen Gott wirksam ist.
Wenn Menschen an Gott glauben, wirkt Gott in ihnen. Natürlich sehr unterschiedlich. Deswegen kennen wir größere und kleinere Heilige, nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch jetzt. Wenn wir wirklich an Gott glauben, zu ihm Vertrauen haben, gehören wir zu ihm, zu Gottes neuer Welt, zum Reich Gottes, auch wenn wir unvollkommen und fehlerhaft sind.
Am Anfang der Bergpredigt Jesu fassen die so genannten „Seligpreisungen“, die wir gerade gehört haben, das zusammen:
- „Selig, glücklich seid ihr“, wenn ihr vor Gott arm seid, d.h. aus der Überzeugung lebt, dass ihr Gott wenig Referenzen vorlegen könnt und deswegen alles von ihm erwartet;
- glücklich seid ihr, wenn ihr gewaltlos lebt und dafür oft einiges einstecken müsst;
- glücklich seid ihr, wenn ihr euch umeinander kümmert, barmherzig miteinander umgeht, mit einem ehrlichen Herzen ohne Hintergedanken;
- glücklich, wenn ihr Frieden sucht und nicht Streit;
- glücklich, wenn ihr zu eurem Glauben steht und dafür Nachteile, sogar Verleumdungen in Kauf nehmt;
- glücklich seid ihr, denn dann gehört ihr zu Gott, zu seiner Welt in der ihr Trost und Stärke finden könnt. Wir werden dann glücklich genannt, weil wir zu Gott und zu seinem Reich gehören, also „Heilige“ sind.
Alle, die zu Gott gehören, Lebende und Verstorbene, feiern wir heute, am Fest „Allerheiligen“. Wir glauben an die Gemeinschaft der Heiligen, wie wir auch jedes Mal im Glaubensbekenntnis sagen. Weil wir an Gott glauben, gehören wir zur Gemeinschaft Gottes, zur „Gemeinschaft der Heiligen“.