26. SONNTAG im Jahreskreis
Es gibt da ein modernes Wort, das Jesus natürlich nicht verwendet hat, aber er hat sich radikal für das eingesetzt, was mit diesem Wort gemeint ist: Toleranz. Wann sind wir tolerant? Nicht, wenn wir alles gelten lassen, wenn uns alles gleich-gültig ist. Wir sind tolerant, wenn wir andere Menschen respektieren, auch wenn wir mit ihrer Meinung und Überzeugung nicht einverstanden sind; wenn wir dulden, dass andere Menschen anders leben, andere Gewohnheiten, eine andere Religion haben, und sie trotzdem als Menschen achten.
Darauf weist Jesus hin, wenn seine Jünger zu ihm kommen und sagen: „Herr, wir haben einen Mann getroffen, der in deinem Namen böse Geister austrieb. Aber wir wollten ihn daran hindern, weil er nicht zu uns gehört.“ Es gibt Menschen, die sich nicht Christen nennen, aber in ihrem Leben so handeln, wie Jesus es gemeint hat. Als Christen sollen wir sie als unsere Verbündeten betrachten und nicht als Konkurrenten. „Denn wer in meinem Namen Taten der Vollmacht vollbringt (also Gutes tut), kann nicht gleichzeitig schlecht von mir reden (also nicht gegen mich sein)“, sagt Jesus.
Hier begegnen wir einem großzügigen, toleranten Jesus. Auch wer sich nicht zu ihm bekennt, aber gut handelt, gehört zum Reich Gottes. Auch in ihm ist Gott wirksam. Das ist der Standpunkt, den die Kirche lange Zeit nicht eingenommen hat. Es hat sogar geheißen: „Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil! Man ist verloren, wenn man nicht zu der Kirche gehört.“ Im 2. Vat. Konzil wurde aber offiziell erklärt, dass Gott auch in anderen Religionen wirksam ist, dass auch bei ihnen Gutes geschieht, und dass wir das anerkennen sollen.
Heißt das nun, dass es egal ist, welcher Religion wir angehören, ob wir zu Jesus gehören oder nicht, Hauptsache wir tun Gutes? Das meint Jesus auch wieder nicht. Im Gegenteil: Er spricht seine große Wertschätzung aus für die, die zu ihm gehören, Christen sein wollen: „Wenn euch jemand auch nur mit einem Schluck Wasser erfrischt, weil ihr zu mir gehört, wird er dafür belohnt werden.“ Er formuliert es auch negativ - und das klingt sehr radikal: „Wer auch nur einen von diesen Menschen, die wie ein Kind an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es das Beste, mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen zu werden.“ So wichtig ist Jesus ein Mensch, der an ihn glaubt. Tolerant sein, heißt, den Standpunkt eines anderen dulden, ohne den eigenen Standpunkt aufzugeben.
Intolerant sollen wir aber gegen jede Form des Bösen sein. Hier verwendet Jesus diese radikal orientalische Bildsprache, mit ihren bewusst überspitzten Formulierungen, die den Ernst der Sache betonen wollen. Er fordert uns heraus kompromisslos zu sein, wenn es darum geht, dem „Bösen“ zu widerstehen: Es ist besser die Hand, den Fuß, das Auge... alles, was dich zum Bösen verführen will, „abzuhauen“, „auszumerzen“, als ins Verderben zu stürzen. Wir sollen radikal und kompromisslos die bösen Neigungen in uns bekämpfen, ihnen nicht die geringste Chance geben. Da sollen wir radikal intolerant sein.
Zwei Seiten von Jesus: Einerseits der tolerante, großzügige und andererseits der kompromisslose Jesus, je nachdem, worum es geht. Soll das nicht auch unsere Lebenseinstellung und unsere Lebenspraxis sein?