2. SONNTAG der Osterzeit
„Glücklich, die nicht sehen und doch glauben!“ Das ist die Moral der Geschichte von Thomas. Thomas ist ein Realist, ein nüchtern denkender Mensch. Was die anderen ihm da erzählen, klingt allzu außergewöhnlich und unglaubwürdig. Thomas will Jesus tastbar erfahren und zwar den Jesus, der gekreuzigt wurde, nicht ein Produkt der Fantasie, nicht ein Hirngespinst, ein Phantom. Deswegen will er seine Wundmale sehen und berühren. Als Thomas dann die reale Anwesenheit des lebendigen Jesus erfährt, hat er es anscheinend nicht mehr notwendig, die Wunden von Jesus zu berühren. Es wird zumindest nicht gesagt, dass er das tut.
„Glücklich, die nicht sehen und doch glauben!“ Das sagt der Evangelist Johannes zu den Christen, die 60-70 Jahre nach dem Tod Jesus leben und ihn weder gesehen noch gehört haben. So wie wir.
Wir können Jesus nicht physisch sehen oder ihn berühren. Aber wie komme ich heute mit ihm in Berührung? Wie kann ich ihn erfahren? Auf verschiedene Arten:
- Jesus kann uns plötzlich ansprechen durch die Worte der Bibel, die uns auf einmal tief berühren, obwohl wir sie schon oft gehört haben.
- Er kann mit uns unterwegs sein, wie mit den zwei Jüngern von Emmaus: Lange Zeit erkennen sie ihn nicht, aber beim „Brechen des Brotes“, bei einer Eucharistiefeier, gehen ihnen die Augen auf: Er ist da. „Brannte nicht unser Herz als er zu uns sprach?“, fragen sie im Nachhinein.
- Jesus ist mitten unter uns, wenn wir miteinander über ihn reden, in Glaubensgesprächen, beim Beten, in der Begegnung mit Menschen, die in seinem Geist leben, die aus dem Glauben an ihn ihr Leben meistern und Freude und Hoffnung ausstrahlen.
Das alles sind im wahrsten Sinn des Wortes unsere Berührungspunkte mit Jesus. In solchen Momenten „haucht Jesus uns an“, wie er damals seine Freunde angehaucht hat, d.h. ihnen Kraft und inneren Frieden gegeben hat
An Jesus glauben, von ihm „berührt werden“, hat Folgen für unser Leben. Es ändert unser Leben. Es hilft uns auch einander anders zu betrachten, anders miteinander umzugehen. Das sagt z.B. der erste Johannesbrief, aus dem wir vorher einige Sätze gehört haben.
„Wer glaubt, dass Jesus der von Gott versprochene Retter ist, der ist ein Kind Gottes“, heißt es. Durch Jesus bekommen wir eine andere Vorstellung von und Beziehung zu Gott. Ich lerne Gott lieben, als einen, der für mich wie ein-mich-liebender Vater ist.
Und wenn wir Gott lieben, versuchen wir auch konsequenterweise immer wieder in seinem Sinne, nach seinem Willen, zu leben, seine Erwartungen an uns zu erfüllen. Dann werden wir, sagt Johannes in seinem Brief, auch selbstverständlich einander lieben, weil alle von Gott geliebt werden, weil er alle als seine Kinder betrachtet. „Kinder, die ihren Vater lieben, lieben auch ihre Brüder und Schwestern.“ Gottesliebe und Nächstenliebe sind unzertrennlich miteinander verbunden.
So hat Johannes Jesus und seine Botschaft an uns verstanden. Daran zu glauben und diesen Glauben zu praktizieren macht unser wahres Christsein aus. Dazu ruft Jesus uns auch heute auf.